Kfz-Sachverständiger lohnt sich nach Haftpflichtschaden
Sollte man nach einem Autounfall, an dem man unschuldig ist, einen eigenen Kfz-Sachverständigen beauftragen? Dieser wird von der gegnerischen Haftpflichtversicherung bezahlt. Wenn Sie allerdings eine Teilschuld haben, müssen Sie auch einen Teil der Kosten für den Sachverständigen selbst bezahlen, lohnt sich das? Und was ist, wenn die Autoversicherung einen ihrer Mitarbeiter als angeblich unabhängigen Kfz-Sachverständigen vorbeischickt? Und wer darf überhaupt Gutachter sein?
Versicherung zahlt den Kfz-Sachverständigen eigener Wahl bei einem Haftpflichtschaden
Bei einem Schadensfall in der Kfz-Haftpflichtversicherung hat man als Geschädigter das Recht auf einen eigenen Kfz-Sachverständigen nach eigener Wahl. Deshalb muss die gegnerische Versicherung, wenn man unschuldig in einen Autounfall verwickelt wurde, diesen bezahlen.
Bagatellschaden erlaubt keinen eigenen Sachverständigen
In Gerichtsurteilen, der aktuellen Rechtsprechung wurde entschieden, dass ein Bagatellschaden, wie ein Lackkratzer oder eine kleine, einfach zu entfernende Beule, keinen eigenen, teuren Sachverständigen rechtfertigt. Gerichte sehen als Grenze für einen Bagatellschaden laut Finanztest sogar noch Schäden in der Höhe zwischen 500 bis 900 Euro an.
Es würde aber bei dieser für Autoversicherungen relativ geringen Schadenshöhe selten zu einem Streit mit der Versicherung über die Bezahlung des Schadens kommen. Autoversicherungen akzeptieren bei Bagatellschäden auch meistens ohne Probleme einen Kostenvoranschlag einer Autowerkstatt.
Was kostet ein Kfz-Gutachten?
Es gibt für die Kosten eines Kfz-Gutachtens keine gesetzliche Regelung. Die Kfz-Sachverständigen können das Honorar für ihre Sachverständigengutachten selbst festlegen. Die Gebührenspanne für ein solches Gutachten liegt laut Finanztest meistens bei 10 bis 40 Prozent der Schadenshöhe. Aus eigener Erfahrung mit Preisen für Kfz-Gutachten kenne ich bei Schäden um die 2.000 Euro, Kosten von um die 20 Prozent, also 400,- Euro.
Kfz-Sachverständige sind aber nicht völlig frei in ihrer Preisgestaltung für Gutachten, denn die Versicherungen müssen diese ja bezahlen und haben dazu auch schon vor Gericht gegen überhöhte Gebühren geklagt. Man sollte also aufpassen, dass man einen seriösen Kfz-Sachverständigen findet, der keine überhöhten Gebühren berechnet, um dann nicht doch einen Teil des Honorars selbst bezahlen zu müssen.
Pflicht zur Schadensminderung auch bei Gutachterkosten
Es gilt der Rechtsgrundsatz, dass jeder an einem Versicherungsschaden Beteiligte zur Schadensminderung verpflichtet ist, also die Kosten möglichst gering halten muss. Laut Bundesgerichtshof müssen sich die Gutachter an den Marktüblichen Preisen orientieren.
Ein Beispiel für normale, erlaubte Kosten für ein Kfz-Gutachten liefert die Befragung des Sachverständigenverbandes BVSK. Dabei wurden die Honorare der im Verband organisierten Kfz-Sachverständigen für eine Schadenshöhe von 10.000,- Euro erfragt. Diese betragen üblicherweise zwischen 777,- und 846,- Euro, mit einem Maximum von 1085 Euro. Dazu würden noch Nebenkosten des Gutachters, wie Fahrkosten von etwa 25,- bis 64,- Euro kommen. Aus eigener Erfahrung berechnen Kfz-Sachverständige auch Kosten für selbst gemachte Fotos vom Schaden am Auto, Portokosten, Telefonauslagen und ähnliche Nebenkosten.
Gutachterkosten werden bei Teilschuld geteilt
Die Kosten für einen eigenen Gutachter werden bei einer Teilschuld entsprechend dem Schuldverhältnis geteilt. Kostet das Kfz-Gutachten 400,- Euro und beträgt die Teilschuld 25 Prozent, muss das Unfallopfer, der Geschädigte 100,- Euro von den Kosten für den Kfz-Sachverständigen selbst bezahlen. Die Haftpflichtversicherung bezahlt nur den Rest.
Wenn man auf gar keinen Fall einen Teil der Gutachterkosten selbst bezahlen will, muss man sich auf den Gutachter der Haftpflichtversicherung verlassen, denn den eigenen Gutachter bezahlt die Autoversicherung komplett, auch wenn der Geschädigte eine Teilschuld am Unfall hat.
Nur häufig ist es eine Art Roulettespiel, da Sie zum Zeitpunkt der Beauftragung eines Kfz-Sachverständigen häufig noch gar nicht wissen können, ob Sie am Ende eine Teilschuld zugesprochen bekommen. Den Gutachter werden Sie unmittelbar und schnellstmöglich nach einem Unfall beauftragen, damit die Schadensregulierung schnell beendet und der Schaden bezahlt wird.
Wenn die gegnerische Versicherung nach dem Gutachten, wenn Sie den Schaden bei ihr geltend machen, eine Teilschuld unterstellt, kommt es auf Ihre Argumente, Zeugen, Beweise und einen erfahrenen und guten Anwalt für Verkehrsrecht an, ob Sie die gegnerische Kfz-Versicherung von Ihrer Unschuld überzeugen können, bzw. ihr klar wird, dass Sie einen Prozess verlieren würde.
Notfalls einen Teil der eigenen Gutachterkosten selbst bezahlen?
Sie müssen dann folgende Kalkulation aufmachen: Welche Teilschuld können Sie maximal bekommen? Zum Beispiel wurden Sie auf der rechten Seite angefahren, weil ein anderes Auto von rechts kommend sich nicht vorsichtig durch eine Spur mit durch einen Stau stehenden Autos herausgetastet hat. Und die gegnerische Autoversicherung behauptet dann, es hätte eine lange Bremsspur gegeben, weil Sie offensichtlich mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren sind und somit 40 Prozent Teilschuld haben.
Wenn Sie durch Fotos beweisen können, dass es gar keine Bremsspur gab, weil es geregnet hatte und die Straße nass war, bzw. Zeugen für das Einhalten der Höchstgeschwindigkeit von 50 Km/h haben, können Sie den eigenen Gutachter ohne Probleme und Risiko beauftragen.
Je höher der Schaden, desto eher lohnt sich der Gutachter?
Oder der Schaden bzw. Totalschaden ist so hoch, dass Sie damit rechnen, dass ein eigener Kfz-Sachverständiger so viel mehr für Sie rausholt, dass den Teil der Gutachterkosten, den Sie selbst bezahlen müssen damit mehr als gedeckt ist. Ich habe mich vor vielen Jahren für diese Variante entschieden, ich war nicht zu schnell, ich konnte mit Fotos und Zeugen belegen, dass ich die zulässige Höchstgeschwindigkeit eingehalten habe.
Und auf den Fotos war auch sehr schon zu sehen, dass der Unfallverursacher mich erst in der Mitte des Kotflügels gerammt hatte, obwohl er behauptete, dass er sich vorsichtig zwischen den Autos herausgetastet habe und ich ihm reingefahren wäre. Die Wahrheit war, dass er mich auf der vierspurigen Straße über eine Bordsteinkante in den Mittelstreifen an eine Laterne rammte.
Selbst wenn der Unfallgegner mit seiner Lüge durchgekommen wäre und ich einen Teil der Kosten für das Sachverständigengutachten hätte selbst bezahlen müssen, bin ich mir sicher gewesen, dass es sich durch die höhere Schadenssumme des eigenen Gutachters trotzdem gelohnt hätte.
Lohnt sich bei Teilschuld ein eigener Kfz-Sachverständiger?
Die Finanztest schreibt in ihrem Artikel über Kfz-Sachverständige nach einem Autounfall, dass man, wenn man Zweifel an der Unabhängigkeit des Gutachters von der Versicherung hat, einen eigenen Gutachter beauftragen soll. Insbesondere empfiehlt die Finanztest dieses Vorgehen, wenn man glaubt, dass der Gutachter der gegnerischen Haftpflichtversicherung eigentlich ein Versicherungsmitarbeiter dieser ist.
Man soll diesen von der Versicherung geschickten Sachverständigen fragen, ob er bei der Kfz-Versicherung arbeitet, oder ob er unabhängig ist. Wenn er dies bejaht oder man Zweifel an der Unabhängigkeit hat, soll man laut Finanztest: “… ein eigenes Gutachten in Betracht ziehen.”
Bei einem Haftpflichtschaden rate ich dringend von diesem Vorgehen ab. Sobald der Schaden über der Bagatellgrenze liegt und man am Unfall unschuldig ist, sollte man immer gleich einen eigenen Kfz-Sachverständigen suchen und mit einem Versicherungsgutachten beauftragen. Den Geschädigten kostet in diesem Fall sowohl der Gutachter der Versicherung, als auch der eigene Gutachter keinen Cent. Warum also auf das Wohlwollen des gegnerischen Gutachters hoffen?
Versicherungsmitarbeiter als Sachverständiger?
Die Stiftung Warentest berichtet von Fällen, bei denen Mitarbeiter der gegnerischen Versicherung als KFZ-Sachverständige aufgetreten sind und den Schadenswert sehr niedrig angesetzt haben. Dadurch bekommt man als Geschädigter nach einem Autounfall weniger Geld, als wenn man einen eigenen Sachverständigen beauftragt.
Ein Gutachter muss neutral sein. Und kann ein Mitarbeiter der Autoversicherung neutral gegenüber dem Unfallgegner sein, oder wird er versuchen Vorteile für seine eigene Versicherungsgesellschaft herauszuholen und ihr Geld zu sparen?
Deshalb entschied der Bundesgerichtshof in einem Urteil (Az. IV ZR 281/14), dass ein Mitarbeiter einer Versicherung nicht gleichzeitig ein Gutachter für Ansprüche gegen diese Versicherung sein darf. Der Bundesgerichtshof gab deshalb auch einem freien KFZ-Sachverständigen recht, der einen viel höheren Wert in seinem Gutachten festlegte, als der Gutachter der Versicherung, der Leiter der Schadensabteilung war.
Wer darf KFZ-Sachverständiger sein?
Die Bezeichnung KFZ-Sachverständiger, bzw. Gutachter ist nicht gesetzlich geschützt. Deshalb darf sich jeder so nennen. Wie immer bei nicht geschützten Berufsbezeichnungen, gibt es einen Verband, der Mindestanforderungen an die Qualifikation der Mitglieder stellt.
Für KFZ-Sachverständige gibt es den Bundesverband der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen BVSK. Dieser Verband stellt als Mindestanforderung für Gutachter ein abgeschlossenes Ingenieurstudium oder einen Kfz-Meistertitel. Qualifizierte Sachverständige findest man im Internet unter: http://www.bvsk.de/suche/kfz-sachverstaendiger.
Wenn man durch einen eigenen Kfz-Sachverständigen von der Versicherung nach einem Unfall mehr Geld erhalten will, sollte man einen Gutachter aus einem solchen Berufsverband wählen, bei dem es keine Zweifel über die Unabhängigkeit und Qualifikation gibt. Die Autoversicherung des Unfallgegners kann dann weniger Probleme mit dem eigenen Gutachten machen und muss die Reparaturkosten auf Basis des Gutachtens leichter bezahlen.
Literatur:
- Finanztest: “Cash nach dem Crash – Autoversicherung”, Heft 5/2015, Seiten 79 bis 80.
Diplom-Betriebswirt (FH) André Fiebig