Dick durch wenig Schlaf? Schlank durch mehr Schlafen? Bei einer Diät ja
Wird man dick durch wenig Schlaf und kann man durch mehr Schlafen Schlank werden? Diesen Fragen über die Wechselwirkung von Schlaf und Appetit ging “Stern Gesund Leben” in einem Interview mit dem Psychologen Manfred Hallschmid von der Universität Lübeck nach.
Wenig Schlaf macht mehr Appetit und fördert Diabetes
In Laborexperimenten wurde nachgewiesen, dass durch Schlafmangel der Appetit gesteigert wird. Ob durch den erhöhten Appetit dann auch tatsächlich mehr gegessen wird, sei aber trotzdem unklar, da dazu widersprüchliche Ergebnisse vorliegen würden.
Manfred Hallschmid führt aber das Phänomen aus, dass wenn man in der Nacht wenig geschlafen hat, man am Tag danach oft Heißhungerattacken bekommt. Durch Labormessungen ist der Grund dafür nachgewiesen: Durch Schlafentzug verschiebt sich das Verhältnis des appetitsteigernden Hormons Ghrelin zu dem sattmachenden Hormon Leptin im Blut. Besonders der Tiefschlaf der ersten Nachthälfte ist für einen normalen Zuckerstoffwechsel und Blutzuckerspiegel wichtig.
Schon nach einer Nacht mit wenig Schlaf verschlechtert sich der Zuckerstoffwechsel im Körper. Nach mehreren Nächten und Tagen mit zu wenig Schlaf, verschiebt sich der Stoffwechsel zu Werten, die von Diabetes bekannt sind. Nach dem Essen steigt der Blutzuckerspiegel stärker an und es wird mehr Insulin benötigt, um den Blutzuckerspiegel abzusenken und den im Blut kreisenden Zucker in die Zellen zu transportieren.
“Je kürzer der Schlaf, desto höher das Diabetesrisiko” so Manfred Hallschmid auf die Frage, ob man durch Schlafmangel Diabetes bekommen kann. Eine Förderung von Diabetes sei wohl auch durch den lang andauernden Schlafentzug z. B. durch Schichtarbeit möglich.
Manfred Hallschmid zeigt auch die Korrelation zwischen der immer kürzeren Schlafdauer der letzten Jahre und Jahrzehnte und der Adipositas-Epidemie in den USA auf, wo immer mehr Menschen übergewichtig oder stark übergewichtig sind.
Es spräche viel dafür, dass es dafür einen direkten Zusammenhang gibt, zumal sich bei Studien an Kindern zeigte, dass Kinder die weniger Schlafen und spät ins Bett gehen dicker sind als Kinder, die ausreichend lange Schlafen und zeitig ins Bett gehen.
Warum wird man durch Schlafmangel dick?
- Der erste Effekt ist die vermutlich höhere Essensmenge durch den Anstieg von Ghrelin und das Absinken von Leptin und den dadurch entstehenden größeren Hunger und Appetit durch Schlafmangel.
- Der zweite Effekt sei ein sinkender Energieverbrauch, da man bei Übermüdung weniger körperlich aktiv ist. Dies sei auch in einem Experiment belegt.
- Der dritte Effekt ist die sinkende Thermogenese durch Schlafentzug. Der Mensch gibt weniger Körperwärme ab und verbraucht dadurch weniger Energie.
Und dies bei gleichzeitig höherer Kalorienaufnahme durch das verschobene Verhältnis von Sättigungshormon Leptin zu appetitsteigerndem Hormon Ghrelin.
Es wird somit durch zu wenig Schlaf bzw. Schlafentzug einerseits mehr gegessen, also mehr Kalorien aufgenommen und auf der anderen Seite weniger Kalorien verbraucht, da man sich weniger bewegt und weniger Körperwärme abgibt.
Manfred Hallschmid schließt aber nicht aus, “dass sich der Körper langfristig auf solche Veränderungen einstellt.”
Das würde bedeuten, dass man sich an wenig Schlaf über längere Zeit gewöhnen kann, also nicht mehr Appetit hat, nicht mehr isst, sich nicht weniger bewegt und nicht weniger Körperwärme abgibt. Es gibt glaube ich auch grundsätzlich Menschen, die auch bei weniger Schlaf bzw. Schlafentzug nicht zunehmen und nicht dick werden.
Woran erkennt man Schlafmangel?
Manfred Hallschmid nennt als Zeichen von Schlafmangel: erhöhte Tagesmüdigkeit, man neigt zum Sekundenschlaf, schläft tagsüber öfter kurz ein oder man kann sich schlecht konzentrieren.
Am Tag öfters kurz einschlafen und Sekundenschlaf würde ich schon als einen starken Schlafmangel ansehen. Ich empfinde Schlafmangel vor allem in schlechter Konzentrationsfähigkeit und das starke Bedürfnis tagsüber zu schlafen, z. B. einen Mittagsschlaf zu machen. Von selbst in den Sekundenschlaf fallen oder unbewusst kurz einschlafen und wegnicken ist wohl schon ein krankhafter Schlafmangel, wie er z. B. bei Menschen mit Schlafapnoe und Schnarchen auftritt.
Schlank durch mehr Schlaf? Bei einer Diät viel Schlafen!
Wenn man durch weniger Schlaf dick wird, kann man dann umgekehrt durch mehr Schlaf Schlank werden?
Die Verschiebung des Verhältnisses von Ghrelin und Leptin normalisiert sich wieder, wenn man einige Tage wieder normal und ausreichend geschlafen hat. Das bedeutet aber nicht, dass man durch mehr Schlaf abnehmen kann, sondern er stellt nur den Normalzustand vor dem Schlafentzug wieder her.
Manfred Hallschmid sind keine Studien bekannt, in denen eine Schlafverlängerung, also mehr Schlafen, zum Abnehmen eingesetzt wird. Er führt nur aus, dass in Experimenten im Labor Schlafentzug den Gewichtsverlust bei einer Diät sehr einschränkt, man also durch weniger Schlafen bei einer Diät nicht richtig abnehmen kann.
Deshalb rät er dazu, wenn man eine Diät macht und wenig schläft, unbedingt mehr zu schlafen, um die Diät nicht wirkungslos zu machen. Also: Nicht Schlank durch Nicht-Schlaf.
Literatur:
Stern Gesund Leben: “Erst müde, dann dick”, Heft 2/2011, Seite 64.
Diplom-Betriebswirt (FH) André Fiebig